÷ ëÒÅÍÌÅ ÏÂßÑÓÎÉÌÉ ÓÔÒÅÍÉÔÅÌØÎÏÅ ×ÙÍÉÒÁÎÉÅ ÒÏÓÓÉÑÎ
Pressemitteilung der Botschaft îÁÚÁÄ
Pressemitteilung der Botschaft
Interview des Botschafters der Russischen Fderation, Vladimir V.Kotenev, fr die Zeitung "Junge Welt ", 25. und 27. Oktober 2008
Herr Botschafter, wie ist es Ihrer Einschtzung nach um das Verhltnis zwischen Ruland und der BRD bestellt? Besteht die "strategische Partnerschaft" zwischen beiden Staaten weiter, von der Sie im Mai 2005 in Berlin anllich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus sprachen?
Ja, die strategische Partnerschaft besteht weiter, und sie wird ausgebaut. Das haben auch die mittlerweile 10. zwischenstaatlichen Konsultationen in St. Petersburg am 2. Oktober vor Augen gefhrt. Manche Partner Deutschlands in der EU und in der NATO, die nach der Kaukasus-Krise zu behaupten pflegen, es knne kein "Business as usual" mit Ruland geben, waren nicht gerade glcklich darber, da die Konsultationen planmig stattfanden.

Bei den Gesprchen wurde kein Thema ausgespart, das beide Nationen bewegt. Ob internationale Politik, Finanzkrise, Jugend- und Kulturaustausch - berall wurde ein breites Feld fr Kooperation festgestellt. Eine Reihe wichtiger Vertrge wurde unterzeichnet, darunter ein Abkommen zwischen den Konzernen Gasprom und E.ON, das letzterem den Zugang zur Gasfrderung auf dem Erdgasfeld Jushno-Rukoje sichert. Zeitgleich fand dort auch die Tagung des Forums Petersburger Dialog statt, wo die Vertreter der Zivilgesellschaft aus Ruland und Deutschland miteinander Klartext reden konnten. Es ist vielleicht eine der wichtigsten Eigenschaften der russisch-deutschen Beziehungen, da wir - auch wenn wir nicht immer gleicher Meinung sind - miteinander statt aneinander vorbei sprechen.

"Strategisch" bedeutet, da eine Partnerschaft ber die politische Konjunktur erhaben ist und auch Krisen standhlt. Fr uns als die beiden bevlkerungsreichsten Nationen in Europa mit einer besonderen Verantwortung fr die Zukunft dieses Kontinents ist eine solche Partnerschaft unabdingbar. Alles andere wre fahrlssig.
Die BRD-Regierung will einerseits Geschfte der deutschen Wirtschaft mit Ruland anbahnen, andererseits schwingt sie sich zur Richterin ber Moskaus Politik auf. Empfinden Sie das als doppelzngig?
So weit wrde ich in der Beurteilung nicht gehen. Im Gegenteil - die Bundesrepublik gehrt neben Frankreich zu den Staaten im Westen, die die ausgewogenste Position gegenber Ruland vertreten. Allerdings gibt es in einigen Fragen unterschiedliche Meinungen.

Man mu auch bedenken, da die Bundesrepublik als NATO- und EU-Mitglied nicht immer eine nationale politische Linie verfolgen kann. Obwohl Berlins Auftreten auf der Weltbhne im neuen Jahrhundert deutlich selbstbewuter geworden ist und Deutschland zweifelsohne in den genannten Organisationen ein gewichtiges Wort mitzureden hat.

Es gibt zudem verschiedene Krfte in Deutschland. Fr die einen - ich glaube, diese Einschtzung berwiegt in der Bundesregierung und in der Wirtschaftselite - ist die russisch-deutsche strategische Partnerschaft eine Selbstverstndlichkeit. Wir hren aber auch Tne, die das in Frage stellen. Die Werte seien ganz verschieden, heit es da, die Russen teilten die deutschen oder westeuropischen Werte nicht und gehrten deswegen nicht zu den strategischen Partnern Deutschlands. Das wird auch in der Diskussion hierzulande deutlich.

Ein bestimmter Flgel hat erkannt, da sich die Rolle der NATO und die der transatlantischen Beziehungen im Zeitalter der Globalisierung ndert. Insbesondere nach den Ereignissen in Sdossetien hat sich das Scheitern des NATO-zentrischen Modells gezeigt. Diese Krfte in Deutschland suchen nach anderen Modellen, nach Auswegen aus dieser Situation. Andere wiederum haben Angst, da ihre alten Methoden, die sich bewhrt haben, nun ber den Haufen geworfen werden mssen. Die haben Angst vor dem Neuen. Sie verharren auf ihren Positionen und arbeiten dabei eng mit den Medien zusammen. Kurzum: Dieser Flgel htte Ruland lieber drauen und denkt, man knne die Herausforderungen, mit denen die EU konfrontiert ist, nicht mit Ruland, sondern ohne oder gar gegen Ruland bewltigen. Gerade diese Krfte schwingen dann bei jedem Anla die Moralkeule.
Wie beurteilen Sie die Berichterstattung ber den jngsten Kaukasus-Konflikt in den hiesigen Medien?
In Ihrem Medium als sehr grndlich. Ansonsten kann man kein eindeutiges Urteil ber die hiesige Berichterstattung zu diesem Konflikt fllen. Es ist schon gut, da man Saakaschwili hierzulande erst gar nicht als "Fackeltrger der Demokratie" prsentiert hat. Mir wurde auch Gelegenheit gegeben, in zahlreichen Interviews unseren Standpunkt vorzutragen. Mit der Zeit ist auch die eigene Berichterstattung der Medien differenzierter geworden. Manche Journalisten sind nach Sdossetien gereist und haben die Aussagen der dortigen Bewohner verffentlicht, die Zeugen von Greueltaten der georgischen Armee geworden sind.

Am Anfang bot sich jedoch ein anderes Bild. Am 8. August, als auf Saakaschwilis Befehl Sdossetien mit schweren Waffen angegriffen wurde und die georgische Soldateska auf den Straen von Tschinwali wtete, herrschte in den meisten Medien Funkstille. Dabei konnte man genau wissen, was passiert war: Ruland hat ja auch deutsche Satelliten ins All geschossen, darunter auch Spionagesatelliten. Die beobachten die Lage an praktisch jedem Ort der Erde. Auerdem umkreisen haufenweise US-Satelliten den Erdball.

Man wute also sehr genau, wer den Krieg begonnen hat, und von wem die massiven Angriffe gegen die schlafende Stadt ausgingen. Erst am nchsten Tag, als Ruland gezwungen wurde einzugreifen, wurde das Geschehen in den westlichen Medien ruckartig zum Titelthema, und zwar als Krieg des "imperialen Rulands" gegen das "kleine Georgien". Da dieses "kleine Georgien" zuvor 12 000 Soldaten gegen 500 russische Friedensstifter losschlagen lie, wurde erst viel spter erwhnt.

Die georgischen Soldaten waren brigens von amerikanischen Instrukteuren ausgebildet und mit offensiven Waffen ausgestattet worden, auch solchen aus der Ukraine. Wir sind noch dabei, die nheren Umstnde zu klren.

Es gab Bilder im Fernsehen von zerstrten Husern, es wurden Flchtlingsstrme gezeigt, gefolgt von russischen Panzern. Oft wurde dabei erst gar nicht erwhnt, da es sich um ossetische Flchtlinge handelte, die nicht vor Russen, sondern vor Georgiern flohen. Es gab aber auch objektive Stimmen, wie die der ARD-Korrespondentin Christina Nagel, die zu Beginn des Konflikts sehr ausgewogene Kommentare lieferte. Nach einigen Tagen wurde aber merkwrdigerweise nichts mehr von ihr ausgestrahlt.

In jenen Tagen ist aber auch deutlich geworden, da die ffentliche und die verffentlichte Meinung nicht unbedingt deckungsgleich sind. Ich habe sehr viele Zuschriften von einfachen deutschen Brgern bekommen, in denen die Absender ganz frei und offen, mit vollem Namen und Anschrift, ihre Meinung gesagt haben: Wir schmen uns fr unsere Medien! Die waren mit dieser einseitigen Berichterstattung nicht einverstanden und sehr emprt. Und ich bin sicher, da die groe Mehrheit der Deutschen sich darber im klaren ist, wer der Aggressor war - egal, wie sich Medien und Politiker bemhen, Saakaschwili schnzureden.

Zur Zeit berwiegt in den Medien ein anderes Bild. Jetzt sagt man: "Ja, die Georgier waren auch nicht unschuldig, beide Seiten haben schlimme Dinge getan". Mit solch einer Gleichsetzung knnen wir uns aber keineswegs zufriedengeben. Es mu klar gesagt werden, wer der Aggressor war und wer zum Reagieren gezwungen wurde.
Hat die russische Seite die Medienvertreter denn hinreichend ber ihre militrischen Operationen informiert?
Was die Informationspolitik angeht, so mssen wir uns - vermutlich zum ersten Mal - keine Vorwrfe machen, denn der stellvertretende Generalstabschef Anatoli Nogowizyn hat den internationalen Journalisten tglich auf einer Pressekonferenz das Vorgehen der russischen Armee im Detail erlutert sowie ber Ziele, Operationen etc. aufgeklrt. Er hat alle Fragen beantwortet; falls ihm das nicht mglich war, hat er versprochen, die gewnschten Informationen am folgenden Tag nachzuliefern. Was er dann auch stets getan hat. Ich habe seine Konferenzen und Briefings intensiv verfolgt und fand bemerkenswert, da bei den letzten Treffen die westlichen Journalisten fast keine Fragen gestellt haben. Es waren die Russen, die dies gezielt und sehr professionell taten. Die haben sehr scharfe und kritische Fragen gestellt und Nogowizyn immer wieder ganz schn ins Schwitzen gebracht.
Thomas Roth, Moskau-Korrespondent der ARD, fhrte Ende August ein ausfhrliches Interview mit Rulands Ministerprsidenten Wladimir Putin. Das am 29. August ausgestrahlte Gesprch hatte eine Lnge von etwa zehn Minuten, zentrale Aussagen Putins wurden allerdings weggelassen. Wie empfanden Sie den Vorgang? Haben Sie Reaktionen des deutschen TV-Publikums erreicht? Und hat diese offenkundige Manipulation zu Konsequenzen gegenber dem ARD-Studio in Moskau gefhrt?
Was sollten die Konsequenzen sein? Jedes Medium in Deutschland wre scharf auf einen Bericht, da die Russen die ARD-Leute ausweisen oder dergleichen. Nein, sie und Herr Roth arbeiten nach wie vor in Ruland - "sehr erfolgreich", wie es heit.

Das Interview hat 27 Minuten gedauert. Herr Roth hat nach dem Interview sogar noch eine halbe Stunde persnlich mit Putin gesprochen.

Ich glaube, da die Art und Weise, wie diese Sendung gemacht wurde, sicherstellen sollte, da die Aussagen des russischen Ministerprsidenten bei den Zuschauern erst gar nicht ankommen. Aus dem Interview wurden nicht nur wichtige Passagen herausgeschnitten - die Niederschrift der gekrzten Fassung wurde auf der ARD-Homepage sogar noch als "Wortlaut" ausgegeben. Das Interview wurde fast um Mitternacht ausgestrahlt, ein Zeitpunkt, zu dem sich kaum noch jemand politische Sendungen anschaut. Auch auf die bliche Praxis wurde verzichtet, da die bersetzung von einem professionellen Sprecher verlesen wird.

Die Redaktion hat jedoch die Mndigkeit des deutschen Publikums unterschtzt. Sie hat wohl auch nicht damit gerechnet, da hierzulande jemand den Text des Originalinterviews lesen wrde - geschweige denn, da er auf Deutsch verffentlicht wird, wie es Ihre Zeitung gemacht hat. Die Abschrift wurde auch in voller Lnge auf der Homepage der russischen Regierung verffentlicht.

Folglich ist Herr Roth in Erklrungsnot geraten und mute in einem Deutschlandfunk-Interview sowie zahlreichen Internet-Nutzern im Tagesschau-Webblog Rede und Antwort stehen, die ihn mit sehr kritischen Fragen konfrontierten.

Es ist schon bezeichnend, da manche Medien, die ber unsere Botschaft ihr Interesse an Interviews mit russischen Politikern signalisiert haben, ihre Anfrage u. a. damit begrndeten, da sie das Gesprch "fair und nicht wie Thomas Roth" fhren wollten.
Der Aggressionskurs des georgischen Prsidenten Saakaschwili gibt Rtsel auf. Der Krieg gegen Sdossetien war fr ihn nicht zu gewinnen - hat er aus Dummheit oder aus Kalkl gehandelt?
Beides. Die Ausrottung der sdossetischen Bevlkerung wurde seit langem vorbereitet. In Georgien war schon zu Beginn des Jahres zu hren, da Saakaschwili einen "kleinen und siegreichen Krieg" fhren mchte, um sein Ansehen wieder aufzupolieren, das sptestens nach dem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstrationen der Opposition und den manipulierten Prsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr beschdigt worden war.

Die georgische Operation trug die Bezeichnung "reines Feld" und war ein Beispiel der sogenannten "Shock and awe"-Strategie. Das Kalkl bestand darin, durch ausufernde Gewalt gegen die Zivilbevlkerung Angst zu verbreiten und einen Massenexodus von Osseten aus der Republik zu erzwingen. hnliches wurde fr Abchasien geplant. So wollte man ein Ossetien ohne Osseten schaffen. Auf den Karten, die bei gefangenen Georgiern beschlagnahmt wurden, wurden die Regionen als ehemalige Republik Sdossetien und ehemalige Republik Abchasien bezeichnet.

Es war aber auch Dummheit, denn mit seiner Aggression hat Saakaschwili die territoriale Integritt seines Landes bedroht und wahrscheinlich auch seine politische Zukunft aufs Spiel gesetzt. Wir haben uns 17 Jahre lang zur territorialen Integritt Georgiens bekannt. Wir haben versucht, die dortigen Konflikte auch in der UNO im Sinne der territorialen Integritt Georgiens zu lsen. Selbst nach der einseitigen Unabhngigkeitserklrung des Kosovo waren wir von unserem Standpunkt nicht abgewichen.

Nach dem 8. August, als auf Saakaschwilis Befehl eine schlafende Stadt mit Mrsern und Raketenwerfern beschossen und Zivilisten und Blauhelmsoldaten ermordet wurden, gab es aber kein Zurck mehr. Ganz gleich, wie viele Staaten letztlich die Unabhngigkeit Sdossetiens und Abchasiens anerkennen - nach den begangenen Verbrechen werden diese Vlker nie mehr in einem Staatsverband mit Georgien leben wollen.
ber welche Kriegsverbrechen der georgischen Seite wurde hierzulande nicht berichtet?
Es gab etliche. Besonders haarstrubend sind die zahlreichen Morde an Kindern. Nach vorlufigen Angaben haben 700 Kinder infolge des georgischen Angriffs ihr Leben verloren. Augenzeugen berichteten, da georgische Soldaten auch schwangere Frauen auf der Strae erschossen haben. Georgische Panzer haben PKW mit Flchtlingen unter Beschu genommen, die die Stadt verlassen wollten. Da verbrannten ganze Familien bei lebendigem Leibe in ihren Autos. Man hat auch Kirchen angezndet, in denen Menschen Zuflucht suchten. All das war von Anfang an in den russischen Medien zu erfahren, wurde hier aber nicht rbergebracht.
Hatte die georgische Bevlkerung Zugang zur russischen Berichterstattung?
Seit dem 9. August nicht mehr: Der Empfang aller russischen Sender wurde gestrt, der Zugang zu russischen Internetportalen gesperrt. Der US-Sender CNN konnte dagegen ungehindert sein Programm ausstrahlen und hat dabei natrlich versucht, die Georgier nachhaltig und einseitig zu beeinflussen.
Wie wurden und werden nach Ihrer Kenntnis in Georgien Kritiker des Saakaschwili-Kurses behandelt?
Es ist wiederholt vorgekommen, da oppositionelle Politiker verhaftet wurden. Das neue georgische Gesetz "ber Strafverfolgung" hat auerdem Abhr- und andere Verfolgungsmanahmen ohne Haftbefehl legitimiert. Oppositionelle Sender wie Rustawi 2 oder TV202 wurden geschlossen, kritische Journalisten eingeschchtert. All das wurde von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International dokumentiert. Einige Morde an bedeutenden Politikern wie Zurab Schwanija blieben bis heute unaufgeklrt.
Am 3. Oktober gab es einen Autobombenanschlag in der sdossetischen Hauptstadt Tschinwali, dem sieben russische Soldaten zum Opfer fielen. Und am vergangenen Wochenende wurde von Georgien aus ein sdossetischer Polizeiposten beschossen. Deutet sich hier eine Destabilisierungsstrategie an?
Nach unseren Erkenntnissen trifft Ihre Einschtzung zu: Ziel der Anschlge ist es, die Lage zu destabilisieren. Man hofft, da Ruland die Nerven verliert und russische Einheiten zuschlagen. Dann htte Tiflis die Gelegenheit, uns den Bruch der Vereinbarungen mit der EU vorzuwerfen und uns als Aggressor darzustellen. Wir haben das jedoch durchschaut und lassen uns nicht provozieren. Es sind Ermittlungen eingeleitet worden. Sobald die Tter gefat sind, werden sie vor Gericht gestellt.
Zur Zeit hlt sich eine OSZE-Beobachtergruppe in der Konfliktregion im Kaukasus auf. Wie beurteilen Sie deren Rolle - auch mit Blick auf Erfahrungen, die in Belarus mit der OSZE gemacht worden sind?
Die OSZE- und UN-Beobachter haben ihre Arbeit getan und den Verlauf des Konflikts genau dokumentiert. Das Problem ist jetzt, da ihre Meldungen unter Verschlu gehalten werden. Deren Verffentlichung wird verhindert, weil sie eindeutig die Schuld Saakaschwilis am Ausbruch des Krieges belegen. Gleiches geschah mit den Berichten von Vertretern verschiedener internationaler Organisationen, die Sdossetien nach der Beendigung der Kampfhandlungen besucht haben und mit den Hinterbliebenen der Opfer sprechen konnten. Sie alle haben das Ausma der Verbrechen an der ossetischen Zivilbevlkerung festgestellt. Doch nichts davon ist an die ffentlichkeit gelangt.
Ist die OSZE neutral?
Das ist eine schwierige Frage. Die Rolle dieser Gruppe von OSZE-Beobachtern in der tragischen Nacht vom 7. auf den 8. August konnten wir bis heute nicht abschlieend klren. Alles deutete ja auf die Vorbereitung eines Krieges hin - trotzdem ist die OSZE nicht eingeschritten. Haben die Beobachter nichts gemerkt? Wohl kaum. Wurde ihren Berichten keine Aufmerksamkeit geschenkt? Oder hat man die Dinge bewut so laufen lassen?

Es gab auch Anzeichen, da die OSZE-Beobachter frhzeitig ber den bevorstehenden Angriff informiert und dann abgezogen wurden. Auch das georgische Friedensstifter-Bataillon wurde einige Stunden vor dem Angriff aus den gemeinsamen Stellungen und aus dem gemeinsamen Stab abgezogen. Diese "Friedensstifter" haben sich dann an den Kmpfen beteiligt und ihre russischen Kollegen gettet. Da gibt es offene Fragen. Aber insgesamt ist und bleibt die OSZE wichtig als Beobachtermission.

Nach dem zwischen Medwedew und Sarkozy ausgehandelten Plan geht es jetzt darum, da die EU eigene Beobachter in die Sicherheitszonen an den Grenzen von Sdossetien und auch Abchasien schickt, die dann unbewaffnet die Situation beobachten werden. Aber auch das wird jetzt in den deutschen Medien verzerrt dargestellt.

In der Ursprungsversion ging es bei dem in Moskau ausgehandelten Plan Medwedew-Sarkozy um die Sicherheit von Sdossetien und Abchasien. Als Sarkozy dann nach Tiflis weitergeflogen war, setzte Saakaschwili willkrlich das Wort "in" Sdossetien und Abchasien in den Text. Diese Version haben wir nie unterzeichnet, denn Ruland geht es um die Sicherheitszonen hinter der Grenze von Sdossetien und Abchasien und nicht auf diesen Territorien. Das sind unabhngige Staaten, wir haben sie anerkannt.

Man hrt jetzt hufig, da der Leiter dieser Beobachtermission, der deutsche Diplomat Hansjrg Haber, angeblich fordert, da die russischen Soldaten den Bezirk Achalgori verlassen. Das ist ein Gebiet in Sdossetien und nicht in Georgien. Da tuscht sich Haber, und wahrscheinlich tuscht er damit auch Brssel - absichtlich oder unabsichtlich. Es mu klar gesagt werden: Dieses Gebiet gehrt seit Urzeiten zu Sdossetien. Dort bleiben jetzt die Osseten und die Russen - nicht die Georgier.

Es geht um eine umfassende Regelung fr den Kaukasus. Und nicht nur alleine um den Rckzug von russischen Truppen und um weitere Forderungen an Ruland. Wir mssen nach dem Ursprung des gegenwrtigen Konflikts fragen, also: Wer war Aggressor? In dem mit Sarkozy vereinbarten Plan wurde klar festgestellt, da zuerst einmal die georgischen Truppen in ihre Kasernen zurckkehren mssen. Das war die erste und wichtigste Forderung der russischen Seite. Sarkozy hat dem entsprochen, es wurde also in den Text aufgenommen.

Jetzt aber versucht man, das so umzuinterpretieren, da lediglich die Russen abziehen mssen. Und in der Tat sind unsere Truppen aus Georgien abgezogen, einen Tag frher als vereinbart. Am 9. Oktober gab es keinen russischen Soldaten mehr auf georgischem Territorium.

Grundstzlich bleibt immer die Frage, was die georgische Regierung vorhat. Weder Saakaschwili noch seine Mitstreiter haben sich mit dem Verlust von Sdossetien und Abchasien abgefunden.

Und was die Neutralitt der OSZE angeht - da mu man zwischen der OSZE an sich und einzelnen ihrer Strukturen unterscheiden. Zum Beispiel hat sich das Bro fr demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) darauf spezialisiert, mit Argusaugen auf den Ablauf von Wahlen zu schauen. Allerdings nur dann, wenn diese stlich der EU-Grenze stattfinden.

Die in Genf angesetzten ersten Verhandlungen ber den Georgien-Konflikt1 sind am 15. Oktober gescheitert. Was war der Grund?
Wir bezeichnen die Verhandlungen in Genf als internationale Diskussion ber die Gewhrleistung der Sicherheit fr Sdossetien und Abchasien. Sie sind diejenigen, deren Sicherheit bedroht wurde und scheinbar immer noch bedroht wird, wenn man die zunehmende Konzentration der georgischen Spezialeinheiten in den Grenzgebieten bedenkt.

Die erste Diskussionsrunde ging so schnell zu Ende, weil die georgische Delegation auf stur schaltete und nicht an einer gemeinsamen Sitzung mit allen Beteiligten teilnehmen wollte. Es ist aber schon ein Fortschritt, da solche Gesprche begonnen wurden. Wichtig ist auch, da die Vertreter von Sdossetien und Abchasien dort zum ersten Mal die Gelegenheit hatten, mit den Vertretern der EU, der OSZE und, wenn auch informell, mit den amerikanischen Unterhndlern direkt in Kontakt zu treten.

Die Gesprche werden fortgefhrt. Wir hoffen, da die nchste Runde am 18. November stattfinden wird.
Es scheint, als wrde Georgien gleichsam als Belohnung fr die Aggression nun beschleunigt in die NATO aufgenommen werden.
Wir hoffen, da es nicht dazu kommt. Wir wissen zwar, da einige NATO-Mitglieder Georgien lieber heute als morgen in der Allianz sehen wrden. Dann mu die Allianz entscheiden: Will sie einen Staatschef zum Bndnispartner haben, der bereit ist, sein Land in einen Krieg zu strzen? Dessen Machtambitionen strker sind als sein Selbsterhaltungstrieb? Zum Glck besitzen andere Staaten genug Verstand, dies nicht herbeizusehnen.

Bei frheren Erweiterungsrunden pflegte man in Brssel stets zu sagen, die Ausdehnung der NATO bringe mehr Sicherheit und Stabilitt. Im Falle des heutigen Georgien ist jedoch klar: Hier wird nur Unsicherheit gemehrt. Nicht umsonst hat die NATO in der Vergangenheit darauf geachtet, da Beitrittskandidaten keine Streitigkeiten mit Nachbarlndern und keine ungelsten Konflikte in ihrem Inneren haben drfen.

Man sagt uns, wre Georgien schon heute in der Allianz, wre alles glimpflicher ausgegangen. Da sind jedoch groe Zweifel angebracht: Htten die anderen NATO-Staaten etwa migend auf Saakaschwili eingewirkt? Wohl kaum. Er hat sich offenbar auch jetzt fr die bewaffnete Lsung der ossetischen und abchasischen Frage entschieden, weil er sicher zu sein glaubte, Ruland werde mit Rcksicht auf die Schutzmchte Georgiens nicht einschreiten. Das Problem Nordzypern zeugt brigens davon, da die NATO nicht imstande ist, territoriale Streitigkeiten zwischen den eigenen Mitgliedern zu regeln.
Die sogenannten westlichen Lnder haben Georgien am Mittwoch eine "Aufbauhilfe" in Hhe von 3,4 Milliarden Euro zugesagt - weit mehr als ursprnglich geplant war. Wie geht Ruland damit um? Das Geld wird von Saakaschwili doch sehr wahrscheinlich in die Rstung gesteckt.
Das ist in der Tat bizarr: Man lt schlafende Stdte und Drfer berfallen, Zivilisten und Friedensstifter tten und wird dafr mit 3,4 Milliarden Euro belohnt. Dabei geben selbst die NATO-Experten zu, da diese Summe, die brigens beinahe einem Drittel des georgischen Bruttoinlandsprodukts im vergangenen Jahr entspricht, den realen Wiederaufbaubedarf deutlich bersteigt und da die - wohlgemerkt von Saakschwili selbstverschuldeten - Zerstrungen berwiegend militrische Objekte betreffen. Es berrascht auch, in welcher Eile die Summe ermittelt wurde. Medienberichten zufolge war selbst Deutschland vor vollendete Tatsachen gestellt worden, was die Hhe seines Beitrags anbelangt.

Vor kurzem hat die angesehene NGO Transparency International Zweifel an der zielgerechten Nutzung der Aufbaugelder durch die georgische Fhrung angemeldet. Auch die georgische Opposition hat die internationale Gemeinschaft aufgerufen, die Verwendung dieser Mittel zu berwachen. Denn es ist nicht auszuschlieen, da Tiflis diese grozgige Geste als Ermutigung versteht und eine Revanche versucht.

Saakaschwili hat immer noch keine rechtlich bindenden Garantien der Nichtanwendung von Gewalt abgegeben. Gleichzeitig hat er aber die Wiederherstellung und den weiteren Ausbau des Angriffspotentials georgischer Streitkrfte angekndigt. Auch die Konzentration der georgischen Spezialeinheiten an der Grenze zu Sdossetien und Abchasien nimmt zu.

Das Argument, in der jetzigen Situation verbiete der gesunde Menschenverstand ein weiteres militrisches Abenteuer, gilt hier kaum. Denn mit gesundem Menschenverstand ist Herr Saakaschwili nicht gesegnet. Daher sind unserer Meinung nach die Geberlnder dazu angehalten, mit Argusaugen zu kontrollieren, da das Geld ihrer Steuerzahler wirklich dem georgischen Volk, das grtenteils immer noch in sehr bescheidenen Verhltnissen lebt, zugute kommt und nicht zu einem neuen Blutvergieen fhrt.
Neben Georgien soll auch die Ukraine in das NATO-Militrbndnis aufgenommen werden. Reprsentiert der Regierungskurs in dieser Frage den Willen der dortigen Bevlkerung? Wie beurteilt die russische Regierung entsprechende Plne des Westens? Wrde Ruland den NATO-Beitritt Kiews - wenn auch zhneknirschend - akzeptieren?
Die Umfragen ergeben stets, da die Mehrheit der Ukrainer gegen einen NATO-Beitritt ist. Alle Versuche der von der Allianz grozgig subventionierten Propaganda, die behauptet, Mitgliedschaft in der Allianz sei die beste Lsung fr die Ukraine, schlugen bisher fehl. Wegen starker Proteste der Bevlkerung mute die NATO vor ein paar Jahren ein Manver im Schwarzen Meer, vor der Krim, abblasen. Die Strategen der Allianz haben sehr schnell reagiert und dann berall in der Ukraine NATO-Bros eingerichtet, um Propaganda mit entsprechenden Mitteln zu treiben. Den Willen der Bevlkerungsmehrheit, die von all dem nichts wissen will, sollte man aber sowohl in Brssel als auch in Kiew respektieren.

Uns besorgt, da das Werben der ukrainischen Fhrung um die NATO-Mitgliedschaft oft von antirussischer Rhetorik und von Handlungen begleitet wird, die alles andere als rulandfreundlich sind. Russisch ist dort fr viele Einwohner Muttersprache - es wird jedoch bewut aus dem ffentlichen Raum verdrngt, russische Schulen werden geschlossen.

Wir machen kein Hehl daraus, da ein NATO-Beitritt der Ukraine eine tiefgreifende Krise in den russisch-ukrainischen Beziehungen nach sich ziehen wird. Das sind jetzt keine Drohungen - ich spreche von realen Folgen, die unvermeidbar sein werden. So wird mit der Aufnahme der Ukraine in die Allianz zunchst der bilaterale Vertrag ber Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft in Frage gestellt. Gem Artikel 6 dieses Abkommens verpflichten sich beide Seiten, eigenes Territorium nicht zu Lasten der Sicherheit der anderen Vertragspartei zu nutzen.

Auch die russischen Auftrge an die ukrainische Rstungsindustrie mten gekndigt werden. Die Anpassung dieser Betriebe an die NATO-Standards wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen- sie haben aber einen beachtlichen Anteil am ukrainischen Bruttoinlandsprodukt. Negative Folgen fr die ukrainische Wirtschaft werden sich da wohl nicht vermeiden lassen.

Es liegt also am Westen, eine Wahl zu treffen. Und zwar eine strategische Wahl: Will man die Ukraine zu einer Pufferzone zwischen Europa und Ruland degradieren? Oder will man mit Ruland und der Ukraine gemeinsam die Zukunft unseres Kontinents gestalten? Wir sind fr die zweite Mglichkeit.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Plne der NATO-Strategen gegenber Ruland - besonders hinsichtlich des in Tschechien und Polen stationierten Raketenabwehrsystems?

Wenn Sie von NATO-Strategen sprechen, mu man zunchst folgende Fragen beantworten: Was ist die NATO heute? Wer hat dort die Hausmacht? Wie wird dort ber die wichtigen Sicherheitsfragen entschieden?

Unmittelbar nach dem Ausbruch des jngsten Kaukasus-Konflikts hat Polen beschlossen, nicht nur diese Raketenabwehrstellung, sondern auch noch einen US-Sttzpunkt auf seinem Territorium bauen zu lassen. Bei der deutschen Wiedervereinigung und bei der ersten NATO-Osterweiterung wurde aber etwas ganz anderes versprochen!

Dieser Beschlu der polnischen Regierung kam so schnell, da es selbst das Weie Haus nicht schaffte, rechtzeitig eine Pressemitteilung vorzubereiten. Dieses Vorgehen spricht Bnde darber, wie zwei Regierungen willkrlich ber die Sicherheit aller Brger der Europischen Union entscheiden.

Der Zeitpunkt, zu dem dieser Beschlu gefllt wurde, zeugt auerdem davon, gegen wen die amerikanische Raketenabwehr (NMD - d. Red.) in Europa tatschlich gerichtet ist. Frher pflegte man uns zu beruhigen, man wolle mit der NMD von Iran und Nordkorea abgeschossene Interkontinentalraketen bekmpfen. Aber grenzen Polen und Tschechien etwa an Iran oder Nordkorea? Es wre dann doch logischer, die Anlagen in Sdeuropa oder in der Trkei zu stationieren.

Mit Blick auf einen drohenden Angriff des Westens gegen Teheran: Wird Georgien mglicherweise als "Flugzeugtrger" fr Angriffshandlungen dienen?

Wenn ein Flugzeugtrger solch einen Kapitn hat, ist der Schiffbruch vorprogrammiert. Im brigen beruht unsere Position in der Iran-Frage auf folgenden Prmissen: Erstens ist der Iran als kernwaffenfreier Staat dem internationalen Nichtweiterverbreitungsvertrag beigetreten. Daher darf dieser Staat keine Atomwaffen besitzen und ist verpflichtet, mit der Internationalen Atomenergiebehrde IAEO ohne Vorbehalte zu kooperieren. Zweitens hat der Iran nach demselben Vertrag das Recht auf uneingeschrnkte Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken. Dieses Recht mu respektiert werden.

Von den genannten Grundstzen lassen wir uns in unserer Politik gegenber Iran in der "Atomfrage" leiten. Als unmittelbarer Nachbar dieses Landes sind wir ber die Risiken, die eine nukleare Bewaffnung Irans mit sich bringen wrde, nicht weniger besorgt als die EU. Wobei man bedenken mu, da die iranische Fhrung selbst stets gesagt hat, da sie keine solchen Plne hegt.

Daher ist es im Moment am wichtigsten, Teheran dazu zu bewegen, mit der IAEO uneingeschrnkt zu kooperieren und deren Inspektoren alle noch offenen Fragen zu beantworten. Die Klrung dieser Fragen ist das eigentliche Ziel der internationalen Gemeinschaft.

Wir sind fest berzeugt, da man das nur auf diplomatischem Wege erreichen kann. Und zwar mit Nachdruck und Geschlossenheit, aber auch mit Respekt gegenber den legitimen Wnschen Irans.

Was hat Ruland der auf Konfrontation hinauslaufenden US-Strategie entgegenzusetzen?

Wir schlagen vor, die knftige Sicherheitsarchitektur in Europa neu zu verhandeln. Gerade die jngsten Ereignisse haben gezeigt, da keiner der heute existierenden Mechanismen zu einer wirklichen Konfliktprvention taugt. Deswegen hat der russische Prsident Dmitri Medwedew bei seinem Berlin-Besuch im Juni eine Art "Helsinki II"2 vorgeschlagen, nmlich eine gesamteuropische Konferenz unter Einbeziehung der USA und Kanadas. In dieser Konferenz sollte der vlkerrechtliche Rahmen fr einen gemeinsamen Sicherheitsraum von Vancouver bis Wladiwostok erarbeitet werden. Auch vlkerrechtliche Zweideutigkeiten mssen geklrt werden. So wie - das ist ja ein ganz aktuelles Beispiel - das Verhltnis zwischen dem Recht auf territoriale Integritt und dem Selbstbestimmungsrecht der Vlker. Im Ergebnis sollten fr alle gleiche, klare und verbindliche Regeln gelten.

Bei seinem jngsten Frankreich-Besuch hat unser Prsident in Evian viele dieser Dinge konkretisiert. Es ist erstaunlich, da die westeuropischen oder EU-Regierungen diese Initiative und diese konkreten Vorschlge noch nicht aufgegriffen haben; es wundert mich, da sie das nicht genau prfen und keine eigenen Ideen entwickeln. Man ist erstarrt, weil die Reaktion aus Washington wieder sehr negativ ist. Die USA wittern nmlich einen Anschlag auf die NATO und auf ihre fhrende Rolle in diesem Bndnis.

Zur Zeit sprechen alle zwar von gemeinsamen Werten - jeder spielt aber sein eigenes Spiel. Wir mchten jedenfalls, da alle Staaten ber die knftige Sicherheitsarchitektur mit offenem Visier und auf gleicher Augenhhe verhandeln. Ausgehend von den eigenen und klar definierten Interessen und mglichst frei von der Zwangsjacke des Blockdenkens.
In den USA stehen demnchst Wahlen an. Glauben Sie, da Sie mit einem eventuellen Prsidenten Barack Obama eher eine solche neue Architektur durchsetzen knnen, als es mit Bush mglich gewesen wre?
Ich mchte jetzt nicht ber den Ausgang der US-Wahlen spekulieren. Obama scheint gegenwrtig in den Umfragen vorn zu liegen - mit ihm verbinden viele Amerikaner ihre Hoffnungen. Aber wenn Sie die Geschichte der USA und auch die jetzigen politischen Verhltnisse in diesem Lande genauer betrachten, werden Sie feststellen, da auch die nchste Regierung die amerikanischen Interessen verfolgen wird - egal, welche Partei sie stellt, egal, wie sie zusammengesetzt ist. Sie wird weder die Interessen von Obama vertreten, noch die von McCain, noch die eines Flgels oder einer Fraktion im Kongre oder im Senat.
Zu einem anderen Thema: Auch mit Blick auf einen Kooperationsvertrag zwischen den russischen und venezolanischen Energieunternehmen Gasprom und PDVSA sprach Fidel Castro unlngst von einem "wichtigen Schritt in Richtung einer multipolaren Welt". Ruland baut nicht nur seine politischen, sondern auch seine militrischen Beziehungen zu Venezuela aus. Im November finden dort gemeinsame Seemanver statt - besinnt man sich in Moskau auf die Rolle einer Weltmacht?
Wir betreiben keine Machtspiele. Es geht uns um den Ausbau der Beziehungen mit Lateinamerika, einer aufstrebenden Region, deren Rolle in der Weltwirtschaft und -politik knftig zunehmen wird.

Die russisch-venezolanischen Beziehungen haben eine lange und traditionsreiche Geschichte. Krzlich wurde ihr 150. Jahrestag begangen. Heute gehren Ruland und Venezuela zu den grten lproduzenten weltweit und haben allein aus diesem Grunde das Bedrfnis, ihre Politik zu koordinieren. Wir haben auch zu vielen weltpolitischen Fragen wie der Demokratisierung internationaler Beziehungen oder der Rolle der UNO hnliche Positionen.

Die militrisch-technische Zusammenarbeit verluft absolut transparent und gem den internationalen Verpflichtungen, die beide Staaten bernommen haben. Was die gemeinsamen Manver anbelangt, genauso wie die Wiederaufnahme der Langstreckenflge der russischen strategischen Luftstreitkrfte, so sind diese nichts anderes als ganz gewhnliche Manahmen zur Aufrechterhaltung unserer Verteidigungsfhigkeit. Frher muten diese Manahmen wegen der Knappheit des Verteidigungsetats ausgesetzt werden - wir hatten nicht einmal gengend Kerosin fr die Bomber. Jetzt kehren wir sozusagen zur Normalitt zurck und sind imstande, wie frher wieder global prsent zu sein.
Warum richtet Ruland keine Sttzpunkte auf Kuba oder in Venezuela ein?
Wir hatten bereits eine Radaranlage auf Kuba, in Lourdes. Kurz nach den Ereignissen vom 11. September 2001 haben wir sie von dort abgezogen. Wir dachten ja, da sich Ruland und die USA auf die Bekmpfung des gemeinsamen Feindes - des internationalen Terrorismus - konzentrieren sollten, statt einander auszusphen. Als "Dankeschn" wurden wir mit Plnen fr eine amerikanische Radaranlage in Tschechien konfrontiert.

Jetzt heit es aber nicht, da man das Ruder herumreien und der Logik der Eskalation folgen soll. Ich bin mir sicher, manche notorischen "kalten Krieger" wrden sich ungemein freuen, wenn wir genau so vorgehen wrden. Dann knnte man aus ihrer Sicht Ruland in eine neue globale Konfrontation treiben und die russische Wirtschaft ausbluten lassen, so, wie es mit der Sowjetunion geschah.

Das gnnen wir ihnen nicht. Wir lassen uns nicht in eine Konfrontation hineinziehen, sondern werden weiterhin auf eine positive Entwicklung der internationalen Situation einwirken.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Arbeit der Schanghaier Kooperationsgruppe (SCO)? Entsteht im asiatischen Raum ein Gegengewicht zur vermeintlichen bermacht des Westens?
Die neueste Konzeption der russischen Auenpolitik, die von Prsident Medwedew Ende Juli verkndet wurde (siehe jW-Thema vom 11./12.10.2008 - d. Red.), sagt auch etwas ber die Ausrichtung unserer Auenpolitik in verschiedenen Teilen der Welt aus. Ich erwhne nur die Zusammenarbeit mit der Europischen Union oder unsere Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarn, den GUS-Lndern. Wir mchten zusammen mit den USA und der EU eine Sicherheitsarchitektur aufbauen.

Die USA sind und bleiben eine Supermacht. Wir mssen aber begreifen, da diese Macht im Alleingang nichts mehr erreichen kann. In Ruland kursiert ein Witz: Den Vereinigten Staaten ist zu wenig Demokratie geblieben, sie haben fast alles davon bereits exportiert. Es ist wahr: Die USA haben ihre Kraft verpulvert, auch ihre militrische. Wir dachten, die Welt wrde sich nach dem 11. September 2001 verndern, wir erwarteten, da die Attentate fr das Land ein Schock von nie gekanntem Ausma gewesen seien, viel schlimmer als Pearl Harbor. Und wir hofften, die USA wrden endlich ihr Blockdenken aufgeben. Aber was dann kam, war der Irak-Krieg - schon wieder fast im Alleingang, lediglich mit einer kleinen "Koalition der Willigen". Der Fall Georgien hat uns erneut gezeigt, wie in Washington Politik gemacht wird.

In Anbetracht seiner territorialen Gre will Ruland auch Verbndete, sehr gute Nachbarn und Partner in Asien haben, nicht nur in Zentralasien, auch im Fernen Osten, China zum Beispiel. Die 2001 gegrndete SCO ist politisch, eine offene Einrichtung, die gegen niemanden gerichtet ist, sie ist kein Block. Sie ist nicht die Antwort auf die NATO, sondern eine Gemeinschaft, die von politischen Zielen und Perspektiven fr diese Weltregion getragen wird. An zweiter Stelle steht die wirtschaftliche Kooperation und an dritter der Kampf gegen die Herausforderungen und Gefahren der Globalisierung, wie Terrorismus, Rauschgifthandel, Infektionskrankheiten und vieles mehr. Sinn und Zweck dieser Organisation ist es, gemeinsam Probleme und Herausforderungen wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Natur in einer Region zu meistern, die ein Fnftel der Erdoberflche umfat und in der ein Viertel der Weltbevlkerung lebt. Gerade whrend der weltweiten Finanzkrise hat diese Vereinigung ihre Effizienz unter Beweis gestellt.

Die SCO ist also nicht als Gegenpol gedacht. Sie ist offen fr Kooperation mit der EU und anderen weltpolitischen Akteuren. brigens gibt es immer mehr Lnder, die der SCO beitreten mchten.
Die Finanzkrise erschttert gegenwrtig nicht nur die Brsen und das Bankensystem der USA und Westeuropas, sie droht vielmehr die gesamte Weltwirtschaft ins Wanken zu bringen. Auch an der Moskauer Brse hatte dies bereits Konsequenzen. Wie gedenkt Ruland die Krise zu bewltigen, seine konomie und seine Bevlkerung vor den Gefahren zu schtzen?
Wir sind auch von der Krise betroffen, es sieht im Moment nicht gut aus. Aber es ist auch nicht dramatisch. Die Rohstoffpreise werden weiter fallen, aber bei der Knappheit der Reserven werden sie ber kurz oder lang auch wieder in die Hhe gehen. Die Situation in Ruland ist dadurch gekennzeichnet, da wir noch nicht so verflochten sind mit dem internationalen Brsengeschft. Daher wird diese amerikanische Krise keine so tiefgreifende Wirkung auf unser Bankensystem und unsere Brse haben, wie wahrscheinlich auf die deutsche, englische oder irgendeine andere, die seit Jahrzehnten mit dem Finanzmarkt in den USA verwoben ist. Das ist der eine Punkt. Der andere ist, da wir die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen und Energietrgern nicht verpulvert, sondern sehr grndlich angelegt haben. Wir haben groe Valuta- und Goldreserven geschaffen. Das ist ein Sicherheitskissen, das es uns ermglicht, nicht nur das Bankensystem zu erhalten, sondern auch die Wirtschaft zu untersttzen.

Die Regierung hat eine Reihe von Manahmen eingeleitet, die nicht nur das Bankenwesen, sondern auch die Realwirtschaft untersttzen. Die vorgesehenen Mittel belaufen sich derzeit auf umgerechnet 150 Milliarden Euro.
Rulands Prsident Medwedew sprach krzlich davon, da die US-konomie endgltig als Fhrungsmacht der Weltwirtschaftsordnung ausgespielt hat. Was wre die Alternative: ein gemeinsamer Block mit dem Kern Ruland/China/Lateinamerika?
Ich wrde nicht von Blcken sprechen, das Blockdenken hat ausgedient. Die Wirklichkeit der heutigen globalisierten Welt ist so, da man entweder gemeinsam nach Lsungen sucht oder gemeinsam verliert.

Unser Ansatz ist, da Sicherheit unteilbar ist. Dies betrifft die finanzielle Sicherheit genauso wie die militrisch-politische. Selbstverstndlich werden die USA und der Euro-Raum weiter eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaftsordnung spielen. Aber ohne die Einbeziehung der BRIC-Staaten (Brasilien, Ruland, Indien, China- d. Red.), ohne die Mitsprache der wichtigen Schwellenlnder ist eine stabile Weltwirtschaft nicht mehr denkbar

27.10.2008
www.russische-botschaft.de

äÏË. 518683
ðÅÒ×. ÐÕÂÌÉË.: 27.10.08
ðÏÓÌÅÄÎ. ÒÅÄ.: 12.11.08
þÉÓÌÏ ÏÂÒÁÝÅÎÉÊ: 27

  • ëÏÔÅÎÅ× ÷ÌÁÄÉÍÉÒ ÷ÌÁÄÉÍÉÒÏ×ÉÞ

  • òÁÚÒÁÂÏÔÞÉË Copyright © 2004-2019, îÅËÏÍÍÅÒÞÅÓËÏÅ ÐÁÒÔÎÅÒÓÔ×Ï `îÁÕÞÎÏ-éÎÆÏÒÍÁÃÉÏÎÎÏÅ áÇÅÎÔÓÔ×Ï `îáóìåäéå ïôåþåóô÷á``